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Das jüdische Viertel einer Stadt ist der
Teil, in dem sich die Juden niederlassen durften wenn sie in diese Stadt kamen.
Dort entstanden dann die wichtigen Einrichtungen jüdischen Lebens (Lehrhaus,
Mikwa, Synagoge etc.). In Berlin sind Juden erstmals 1295 erwähnt und wurden
mehrmals vertrieben (expelled). Die heutige jüdische Gemeinde geht auf das Jahr
1671 zurück als einige jüdische Familien aus Wien nach Berlin kamen. Die ersten
Einrichtungen waren am Rand der mittelalterlichen Stadt (Rosenstrasse).
Heute wird als „jüdisches Viertel" die Gegend rund
um die Neue Synagoge in der Oranienburger Strasse bezeichnet. Touristen kommen
in großer Zahl um „jüdische Orte" zu sehen: den ersten Begräbnisplatz, das
ehemalige Altersheim, die jüdische Oberschule, das ehemalige Kinderheim,
Gemeindezentrum von Adass Jisroel. Jede Woche werden ca. 10 offene Rundgänge
hier durchgeführt. Die Menschen - meist Nichtjuden - kommen um „das jüdische
Viertel" zu sehen. Viele sind erstaunt, wenn sie dann erfahren, daß die
Bevölkerung sehr gemischt war, von einer jüdischen Bevölkerungsmehrheit nicht
die Rede sein kann und
der jüdische Bevölkerungsanteil in Berlin-Mitte um 1933 bei 10 % lag. Aber bei
den meisten dieser Rundgänge wird nur über die Vergangenheit gesprochen - außer
vor der jüdischen Oberschule und einer kurzen Erwähnung, daß heute 12.000 Juden
in der Stadt leben.
Seit einigen Jahren gibt es auch 3
jüdische Restaurants in dieser Gegend, aber noch mehr, die den Eindruck
erwecken jüdisch zu sein, wie etwa das „Mendelssohn", wo Schweinebraten mit
Sahnesoße serviert wird. Welches Bedürfnis steht hinter dieser Suche nach dem
„Jüdischen".
Wo findet jüdisches Leben in Berlin, Frankfurt, Wien oder Prag wirklich statt?
Welche Plätze und Räume gibt es dafür: öffentlich, halböffentlich oder privat.
Wie wirken sich die Sicherheitsmaßnahmen darauf aus?
„Jüdisches Viertel" - das sind aber nicht nur konkrete Räume in einer
Stadtlandschaft, sondern ein kulturelles Phänomen wie jüdische Restaurants,
jüdisches Theater, Kultur, Musik ...
In Berlin sind die meisten Veranstaltungen mit dem Ettikett „jüdisch"
(Klezmerkonzerte, jüdisches Theater, Restaurants, Stadtrundgänge) von Nichtjuden
für ein nicht-jüdisches Publikum. Diana Pinto, eine in Paris lebende
Sozialwissenschaftlerin fragt in ihrem
Aufsatz:
„zu einer neuen europäisch jüdischen Identität":
„Die dritte und schwierigste
Herausforderung betrifft die „jüdischen Räume" (Jewish spaces). Wie sollen
Juden an die in Europa entstehenden „jüdischen Räume" herangehen und
intervenieren, die in steigendem Maße von Nichtjuden initiiert, bevölkert
und sogar verwaltet werden?"
Wo sind in der Stadt, in der Ihr lebt, die Orte,
die ihr als „jüdische Orte" in Geschichte oder Gegenwart wahrnehmt (vielleicht
jüdisches Jugendzentrum, Gemeindezentrum)? Was macht einen „jüdischen Ort" aus?
Was bedeuten diese Orte für Euch?
Wie seht Ihr die Orte, die von Nichtjuden als „jüdisch" wahrgenommen werden?
Zum Weiterlesen:
Iris Noah,
Berlin / haGalil onLine 25-10-2000
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