Nein. Der
Pogrom in Kishinev fand im April des Jahres 1903, meinem Geburtsjahre, statt. Das ist
sehr interessant. Heute weiß jedes Kind bei uns von Kishinev, man lernt
darüber in der Schule, Bialik schrieb »In der Stadt des Mordens«, und unter
dem Eindruck des Pogroms in Kishinev begann die zweite Aliya (Einwanderung
nach Eretz Israel).
Wenn ich heute die jungen Leute frage "Wißt ihr, was
in Kishinev geschehen ist?", dann denken die meisten an ein schreckliches
Massaker. Aber sie sollten wissen, daß 41 Juden ermordet, ein Dutzend Frauen
vergewaltigt und ungefähr fünfzig Geschäfte geplündert wurden - und das hat
damals die Welt erschreckt! In der jüdischen Welt führte es zu einer
geistigen Revolution. Aber der Pogrom erschreckte auch die nichtjüdische Welt. Heute kann man kaum mehr verstehen, wie die Welt im 19.Jahrhundert und zu Beginn des 20.Jahrhunderts aussah. Das war wirklich eine
humane Zeit in der Geschichte der Menschheit.
Aufsehen hat auch der Prozeß gegen Beilis erregt (Menachem Mendel
Beilis wurde des Mordes an einem christlichen Kind aus religiösen Gründen
beschuldigt und in Kiew vor Gericht gestellt), der die gesamte
zivilisierte Welt erschütterte. Letztendlich wurde Beilis freigesprochen. Auch
das zaristische Gericht war ein Geschworenengericht, und trotz der
Propaganda und des Druckes - zwar keines physischen -, denn man bedrohte die
Richter nicht mit Gefängnisstrafen - von seiten der Regierung, verlief die
Sache für sie erfolglos und die Geschworenen sprachen Beilis frei.