|
ã"ñá
éøùú à"ñùú
Dem Wort "heilig" begegnen wir in der
Bibel zum allererstenmal im Zusammenhang mit dem Schabbat, den Gott "heiligt"
(1. Moses 2,3). Heiligung bedeutet hier unter anderem Absonderung. Hier wird ein
Tag, mithin ein Teil der Zeit, von den anderen Tagen abgesondert bzw.
herausgehoben. Diese Absonderung bedeutet, dass dieser Tag fortan nicht wie die
anderen Tagen gelebt werden soll, sondern einem bestimmten Zweck zugeeignet
wird, in diesem Fall der Erlangung von Gottesnähe.
Anders als man es vielleicht erwarten
möchte, wird der "Heiligkeitsgrad" des allwöchentlich einkehrenden Schabbattages
höher bewertet als der Heiligkeitsgrad der jüdischen Festtage. Im Gegensatz zu
den Festen, die sich am hebräischen Kalender orientieren und damit an den in der
Natur sichtbaren Monats- und Jahreszyklus (Mond- und Sonnenzyklus) gebunden
sind, entzieht sich der Schabbat jedem Naturzyklus und somit auch jeder
kalendarischen Berechnung. Er kommt einfach alle sieben Tage wieder. Der vom
jüdischen Schabbat diktierte und von ihm instituierte Wochenzyklus –
mittlerweile weltweit verbreitet – hat (im Gegensatz etwa zum Tag, Monat oder
Jahr) mithin keine Parallele in der uns sichtbaren Welt und dem sie regierenden
Naturgesetz, sowie ja auch die "Schöpfung aus dem Nichts", die laut Zeugnis der
Bibel mit dem Schabbat abgeschlossen wurde (1. Moses 2,1-3), mit dem uns
bekannten Naturgesetz (in diesem Fall dem Gesetz der Erhaltung der Materie)
nicht vereinbar ist. An der Unabhängigkeit des Schabbattages vom jedweden
wahrnehmbaren Naturzyklus wird die absolute Neuerung offenbar, die das Judentum
in die Welt hineintrug: Die Bezugnahme auf eine einig-einzige, jenseits der
Natur und des Naturgesetzes liegende geistige Macht, die dennoch das ganze
materielle Dasein durchdringt und am Schicksal des Menschen regen Anteil nimmt –
den Schöpfer der Welt und Gott Israels.
In der Praxis zeichnet sich der Schabbat
gegenüber den Werktagen durch ein umfangreiches Werkverbot aus, das ihm
seinen Stempel aufdrückt (siehe 2. Moses 20,8-11; 5. Moses 5,12-16). Die durch
dieses Werkverbot erzielte, allenthalben spürbare Beschränkung des menschlichen
Betätigungsfeldes ist nicht nur aufs Ruhen ausgerichtet, sondern trägt
wesentlich zum Heiligkeitscharakter des Schabbat bei. Nach jüdischem Gesetz
(Halacha) ist das Werkverbot kein allgemein gehaltenes Verbot, sich etwa am
Schabbat anzustrengen, sondern enthält 39 genau definierte Werktätigkeiten, die
nicht alle unbedingt mit einer Arbeitsanstrengung verbunden sind (siehe Mischna
Schabbat 7,2). Nach Rabbiner Samson Raphael Hirsch (Hamburg 1808-1888 Frankfurt)
haben die meisten dieser Wertktätigkeiten – dazu gehören z. B. Feueranzünden,
Bauen, Färben, Nähen, Schreiben u.a.m – einen gemeinsamen Nenner: Sie verleihen
dem Menschen die Herrschaft über die Natur. Diese wurde ihm von Gott tatsächlich
auch zugesprochen (1. Moses 1,28). Am Schabbat soll er sich ihrer indes
freiwillig entsagen, damit ihm seine Fähigkeit die Erde zu beherrschen nicht zu
sehr zu Kopf steigt. Daher soll er sich einmal in sieben Tagen, am Schabbat,
aller derjenigen Werktätigkeiten enthalten, die ihm die Herrschaft über die
Natur verleihen, um so sein Herz frei von jedem falschen Stolz und Übermut dem
wahren Herrscher der Welt zuwenden zu können.
Am Schabbat sollen drei festliche
Mahlzeiten eingenommen werden, eine am Abend und zwei am Tag. Die Tatsache, dass
eine Mahlzeit ein Gebot sein kann, ein Mensch, der eine Mahlzeit genießt, mithin
ein Gebot erfüllt, ist charakteristisch für das Judentum. Genuss, wenn zur
richtigen Zeit und am richtigen Ort, kann nicht nur erlaubt oder empfohlen,
sondern sogar geboten und somit auch verdienstvoll sein. Vor den beiden ersten
Mahlzeiten wird jeweils über einem vollen Weinbecher ein Kidusch (wörtl.
"Heiligung") gesprochen. Durch den Kidusch wird der Schabbat geheiligt, indem
ihm seine besondere Bestimmung zugewiesen wird, durch die er sich von den
anderen Tagen abhebt. Es ist Vorschrift, dass der Kidusch dort gesprochen wird,
wo man die Mahlzeit einnimmt. Somit wird die Heiligung mitten in die ganz
normale materielle Existenz des Menschen hineingestellt, denn nur dort – und
nicht auf fernen spirituellen Höhen, die dem Alltagsleben entsagen – kann sie
sich nach jüdischer Auffassung in Wahrheit entfalten.
Möge wir alle bald des "Jom Schekulo
Schabbat" ("Ein Tag der ganz Schabbat ist") teilhaftig werden.
Schabbat Schalom,
Meir Seidler
Chat am 10-11-2000 / 9:00h - 10:00h
Moderation: Meir
Seidler / Bar Ilan <m-meir>
ms / haGalil
onLine 18-10-2000
|